Geschichte
Nardò wird mit der Ankunft der Messapier geboren, jedoch schwirren noch viele Legenden um die Gründung der Stadt umher.
Im 3. Jahrhundert fiel sie an das römische Reich und von dem Zeitpunkt an, ist ihre Geschichte eng mit der Geschichte der Völker verstrickt, die über Jahrhunderte Süditalien bewohnt haben.
Als Nardòs Lehen in die Hände der Familie Acquaviva fallen, wird aus der Stadt ein Herzogtum. Belisario Acquaviva bringt Kunst und Kultur in die Stadt, dank seiner gönnerhaften Seele. Nardò war jahrhundertelang Zufluchtsort und Wohnsitz zahlreicher Mönchsorden, denen das große barocke Erbe zu verdanken ist, und die von ihnen erbauten Kirchen und Klöster glänzen wie Juwelen in den Straßen der Stadt.
Als das Königreich Neapel an Spanien fiel, führte der Steuerdruck zur Volksauflehnung und grausamen Unterdrückungen.
Die Feudalherrschaft endete 1806, doch Nardò blieb aufgrund seiner endlosen Ländereien einer autoritären Macht unterworfen: die der Großgrundbesitzer. Zwei Revolten durchziehen die Geschichte: die jüngste ist die von Arneo, die in der sogenannten Reform „Stralcio“ endete (s. o.), die erste konkrete Auflehnung gegen den Großgrundbesitz.
Nardò ist „rebellierendes Bauernland“, eine Eigenschaft, die in das soziale Geflecht der Stadt „eingenäht“ ist, die sich heute noch aufrecht und stolz der illegalen Anwerbung und Ausbeutung unterbezahlter Landarbeiter entgegensetzt.
Uluzzu
“Uluzzu” ist ein kantiges Wort, wie ein fernes Echo eines archaischen Dialektes. Dieser Begriff ist Namensgeber eines historischen Zeitalters: die „uluzzianische Altsteinzeit“; in seinen Einbuchtungen, rau und struppig wie der Name, lebte der erste Homo Sapiens Europas und hinterließ Reste und Graffiti, die auf einen Zeitraum von achtzig- bis hunderttausend Jahre vor Christus zurückzuführen sind.
Das Schloss Acquaviva
Dem Herzog Giulio Antonio Acquaviva sind zwei Verdienste gutzuschreiben: er war aragonischer Heerführer bei der Befreiung Otrantos von den Türken und er plante das Schloss von Nardò.
Seine Zinnen-Mauern sind das Symbol eines Schlosses, das zur Verteidigung des Volkes erbaut wurde. Im 19. Jahrhundert übernahm es die Familie Personè und machte daraus einen edlen Wohnsitz mit barocken Elementen, Bossenwerkmauern und in Stein gemeißelte Masken in den Gesimsen, in denen menschliche Gesichter, Tiere und seltsame Dämonen erkennbar sind.
Das Schloss war von einem Burggraben umgeben, von dem heute ein kleiner Teil neben dem botanischen Garten erhalten geblieben ist.
Heute ist dieser Palast Sitz der Gemeindeverwaltung, im Ratssaal hängen drei wichtige Gemälde, die die Stadt Nardò von einst zeigen, mit den Stadtmauern, antiken Kirchen und Glockentürmen, die zerstört wurden, dem Uhrenturm und einem originalen Stadtwappen.
Domkirche der “Santa Maria dell’Assunta”
Nardò ist eine Wonne des Barock. Man startet auf der Piazza Salandra und geht Richtung Kirchen und Klöster der Altstadt. Auch die Fassade der Domkirche ist barock, versteckt jedoch darunter weitaus ältere Ursprünge, nämlich die Reste einer altertümlichen Abtei der Basilianer, der erste Mönchsorden, der nach Neretum kam.
Die heutige Kirche ist ein „Geflecht“ aus verschiedenen Stilrichtungen und Zeitaltern, schlimme Unwetter und zahlreiche Erdbeben, die ihr Baugefüge angegriffen haben, führten zu vielen Restaurierungs- und Umbauarbeiten.
Als die Benediktiner-Mönche ankamen, war die Kirche aufgrund der Witterungseinflüsse erodiert. Sie wurde mit einem widerstandsfähigeren Kalkstein neu aufgebaut und ergänzt. Den Normannen sind weitere Umbauten sowie der Wiederaufbau des Glockenturms zu verdanken.
Die Fassade mutet zum Rest der Kirche seltsam an, da sie das einzige barocke Element darstellt, so wie auch die Bedachung barock war, die allerdings bei einer Renovierung im 19. Jahrhundert zerstört wurde.
In Nardòs Kirche finden sich wichtige Gemälde bedeutender süditalienischer Maler, vor allem aber ein schwarzes Kruzifix aus Holz, hochverehrt von den Einwohnern, da eine Legende erzählt, dass die Sarazenen während der Plünderung der Stadt, auch das Kreuz entfernen und auf der Piazza verbrennen wollten, doch während sie es transportierten, brachen sie einen Finger Jesu ab, aus dem Blut herausschoss.
Der Hosanna-Tempel
“Hosanna” ist ein einzigartiges Denkmal, dem heute noch keine genaue Bedeutung zugeordnet werden kann. Es ist ein kleiner achteckiger, asiatisch-orientalisch anmutender Tempel, mit einer erhobenen Säule in der Mitte mit Fialenabschluss.
Es wird angenommen, der Tempel sei ein Symbol der christlichen Macht, die andere Religionen einsperrt und verbietet; und tatsächlich stellt der zentrale Pfeiler höchstwahrscheinlich eine heidnische Stele oder einen Menhir dar.
Der regionale Naturpark “Porto Selvaggio” und der “Kapitänssumpf”
Ein unwegsamer und gewundener Pfad, führt im Schatten eines Aleppo-Kiefernwaldes, zu einer der schönsten Buchten Süditaliens. Der Fußmarsch ist schnell vergessen bei der überwältigenden Aussicht, die sich ohne Vorwarnung vor unseren Augen auftut: eine wunderschöne Bucht, von grüner Natur und sanften Klippen umgeben, mit regenerierendem Quellwasser. Wir sind im Herzen des Naturparks „Porto Selvaggio“, den es seit 1980 gibt und 2006 erweitert wurde, und nun auch den „Sumpf des Kapitäns“ mit einschließt.
Auf den über tausend Hektaren des Parks verbinden sich natürliche Elemente mit denen vom Menschen geschaffenen, und schaffen dadurch ein Ökosystem aus struppigem Dickicht und Kiefern, die in den 50er Jahren gepflanzt wurden, künstlich angelegten und natürlichen Grotten, die jahrtausendalte Geschichte erzählen. Ja, denn in dem Naturpark „Porto Selvaggio“ finden sich wichtige Stellen, wie z. B. die Grotte „Uluzzu“ und die „Grotte des Pferdes“, Zufluchtsort des „uluzzianischen“ Steinzeitmenschen.
Nur ein kleines Stück weiter, in der „Serra Cicora“, findet man Spuren eines frühneolithischen Friedhofs, der seinesgleichen sucht und der heute noch reich an Mythen und interessanten Besonderheiten ist, wie z. B. die menschlichen Überreste unter einigen Menhiren.
„Der Sumpf des Kapitäns“ ist die einsame Insel, auf die wir uns alle sehnen, ein entzückender Ort zwischen Süßwasser, das aus den Felsen sprudelt und Salzwasser, das aus dem Boden hervorquellt. Ein Ort, an dem die Zeit stehenbleibt und die Welt außen vor bleibt… genau das muss wohl der Kapitän empfunden haben, der sich in dieses Moor zurückgezogen und ein Häuschen gebaut hat, um in aller Ruhe leben zu können, und seine Zeit hauptsächlich damit zu verbringen, auf den kleinen See zu schauen und die Tiere darin sowie die seltenen Pflanzen zu bewundern.
Ob ihr nun Abenteurer seid oder nicht, den Sand und die Felsen liebt, ob ihr neugierig und Trecking-Liebhaber seid, aber auch wenn es euch einfach gefällt, faul in der Sonne zu liegen, dann ist der Naturpark „Porto Selvaggio“ genau der richtige Ort für euch.
Die Villen „Cenate“
„Cenate“ wird das Gebiet zwischen der Altstadt Nardòs und dem Küstenörtchen Santa Caterina genannt. Entlang der Straße, die diese beiden Punkte miteinander verbindet, kann eine wahre Pracht an Architektur im Barock- und Jugendstil bewundert werden, immer wieder von maurischen und ????????? Elementen unterbrochen, und überall ist die Handschrift der damaligen berühmtesten Architekten erkennbar: dies sind die Villen von „Cenate“. Die Villen, die zwischen 1700 und 1900 gebaut wurden, spiegeln voll und ganz den Geschmack des damaligen Bürgertums wider, mit seiner Leidenschaft, die eigenen Gärten mit exotischen Pflanzen und neoklassizistischen Statuen zu bereichern.
„Via Taverna“, so heißt die Straße, die Santa Maria di Leuca mit Tarent verbindet, ihr Name stammt von der gleichnamigen Villa, die sich auf dieser Straße befindet, und ist auch die älteste des gesamten architektonischen Komplexes. Dieser Wohnsitz wurde auf einem antiken Gebäude aus dem 15. Jahrhundert gebaut, und war früher eine Herberge mit Pferdeställen, was die heute noch im Garten gut sichtbaren Pfähle bezeugen. 1780 wurde die Villa gebaut, mit ihren nüchternen Zügen, die schlicht durch ein Eingangstor und einige Balkone im Barockstil verfeinert und das Ganze von einer Mauer „eingerahmt“ wurde. Ein weiterer, sehr schöner, historischer Wohnsitz ist die „Cinata del Monsignore“, als Sommerresidenz auf Wunsch des Bischofs Petruccelli 1755 erbaut. Die Bauarbeiten wurden 1838 beendet, unter dem damaligen Bischof Lettieri, daher kann man an dem Gebäude sehr gut zwei verschiedene architektonische Stilrichtungen unterscheiden: den Barock und den Neoklassizismus.
Alle Villen „Cenate“ verfügen über einen zeitlosen Charme, doch keine kommt an die Schönheit und Pracht der Villa Maria Cristina Personè heran, die zwischen 1920 und 1930 gebaut wurde. Hier sind barocke und maurische Elemente behutsam miteinander verflochten. Orientalische Bögen fügen sich herrlich in einen Zusammenhang aus weichen Linien, Verzierungen und imposanten Freitreppen ein. Das Motto otium cum dignitate versetzt uns in ein Szenario mit eleganten Empfängen im Atrium, Sommerfesten, brennenden Kerzen und glitzernden Roben. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde diese Villa von den Kampfstiefeln der deutschen Soldaten durchquert, deren Spuren heute noch im Fußboden erkennbar sind. Ein Stückchen weiter steht die Villa Muci, die in den Jahren des Weltkrieges als Krankenhaus diente und in den Nachkriegsjahren eine Gruppe von Hebräern aufgenommen hatte, Überlebende der Nazi-Lager. Es sind die historischen Wunden, die dieser Villa ihren Glanz verleihen, die leider seit Jahren vollkommen vernachlässigt ist.
Entlang dieser Verbindungsstraße befindet sich eine der schönsten Ecken der Region Salento, die nur Wenige kennen, dafür aber sehr schätzen. Wenn ihr „Le Cenate“ also noch nicht kennt, oder falls ihr dort zufällig vorbeifahrt, auf eurem Weg zum Meer, können wir euch nur einen Rat geben: anhalten und bewundern. Ihr werdet es nicht bereuen.
Nardò, Ort der Erinnerung
Völlig ermüdet und mit tiefen Furchen in der Seele, so fühlten sich wohl die Hebräer, die die Konzentrationslager überlebt hatten. Einige von ihnen fanden zwischen 1944 und 1945 Zuflucht in Nardò und dem nahegelegenen Ortsteil Santa Maria al Bagno. Die Gemeinde baute ein richtiges hebräisches Viertel auf, mit Kibbuz und Synagoge.
Zwischen verlassenen und verstaubten Häusern, kann man heute noch Wandmalereien bewundern, die Zivi Miller in den Jahren angefertigt hat, denen auch die Entstehung des „Museums der Erinnerung und des Empfangs“ zu verdanken ist. Ein Ort, der Bezeugungen der damaligen Zeit aufbewahrt, Wandmalereien und weiteres Material, das von dem Verband Pro Hebräischer Wandmalereien gespendet wurde.
Als Anerkennung der großen Nächstenliebe der Bevölkerung von Nardò, wurde die Stadt 2005 vom Staatspräsidenten Ciampi mit einer Ehrenmedaille ausgezeichnet.
Das Test-Zentrum in Nardò: der Rekord-Ring
Maximal verborgen, von zig-tausenden Bäumen umgeben und geschützt durch eine Einverständniserklärung seitens der Mitarbeiter und der Wenigen, die Zutritt bekommen, ohne Fotos machen zu dürfen. Deswegen kennen wahrscheinlich nur Wenige den „Nardò Technical Center Proving Ground“, das Test-Zentrum in Nardò, das entworfen wurde, um Hochgeschwindigkeitsautos zu testen. Es wurde in den goldenen Zeiten von Fiat erbaut, nämlich 1975, doch seit 2012 ist es im Besitz von Porsche. Es ist ein gewaltiger Ring mit einem Durchmesser von 4 km, auf einer Fläche von ca. 700 ha. Es sind 20 Testpisten vorhanden, mit geraden Strecken, Serpentinen, An- und Abstiegen, um einen erfolgreichen Test der Fahrzeuge zu garantieren. Dies führt dazu, verbunden mit stetigen Modernisierungen sowie der Möglichkeit, jedwede atmosphärische Bedingung an jedem Tag im Jahr zu simulieren, dass der „Ring von Nardò“ heute noch eine der weltweit bedeutendsten Teststrecken zu bleiben. Im Übrigen sprechen die wenigen Zahlen, die in etwas mehr als 40 Jahren durchgedrungen sind, eine klare Sprache: es geht um extreme Geschwindigkeiten, auf einer Teststrecke, die heute noch Rekorde hält, die woanders schlichtweg nicht zu erreichen sind. Um nur einige Beispiele zu nennen: 1979 schaffte es Mercedes-Benz die 400km/h-Grenze zu überschreiten, 2002 brach Volkswagen den 24-Stunden Entfernungs- und Geschwindigkeitsrekord, mit 7.740,576 km in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 322,891 km/h.
Zahlen, die einen taumeln lassen und das nur wenige Schritte von den kleinen Orten des Salento entfernt: sie machen neugierig, sie überraschen, aber sie sind gewiss nichts für Menschen mit Herzproblemen.